Mittlerweile sind die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl de facto fertig (Stand Juli 2021). FONAS hat sich die Wahlprogramme der CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und von Bündnis 90/Die Grünen durchgelesen und die jeweiligen Aussagen zur Förderung der Friedens- und Konfliktforschung zusammengestellt. Was von den Parteien zu erwarten ist und welche Parteien sich für die Förderung der Friedensforschung einsetzen, findet sich hier:

CDU/CSU: „Das Programm für Stabilität und Erneuerung“

Die CDU will in der NATO sowohl eine Verteidigungs- als auch eine Wertegemeinschaft sehen. Deutschland soll sich weiterhin an der nuklearen Teilhabe beteiligen, dabei mehr Verantwortung bei „robusten Einsätzen“ einbringen und das 2%-Ziel einhalten. Für die Bundeswehr sollen alle moderne militärischen Systeme beschafft werden, die verfügbar sind (auch „unbemannte und KI-integrierende Systeme„). Nukleare Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper sollen vollständig abgerüstet werden. Dazu sollen bestehende Verträge eingehalten werden.

In der Forschungspolitik setzt sich die CDU für das „3,5%„-Prozent-Ziel ein (Ausgaben für Forschung/Entwicklung von Staat und Wirtschaft sollen auf 3.5% des BIP gesteigert werden).  Ansonsten soll die Exzellenzstrategie fortgeführt werden und vielfältig Forschung in Unternehmen unterstützt und steuerlich begünstigt werden.

Quelle: https://www.csu.de/common/download/Regierungsprogramm.pdf

SPD: „Aus Respekt vor deiner Zukunft“

Eine Entscheidung zur Anschaffung bewaffneter Drohnen soll der SPD zufolge erst nach einer ausführlichen Debatte getroffen werden, genauso wie eine Entscheidung zur nuklearen Teilhabe und zur Anschaffung neuer Trägersysteme. Für unbemannte, bewaffnete Systeme soll ein internationales Regelwerk erarbeitet werden. Deutschland sollte als Beobachter bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrages teilnehmen und den Prozess konstruktiv begleiten. Russland und die USA sollen in einem zukünftigen Vertrag auch substrategische Atomwaffen verifizierbar einbeziehen. Rüstungskontrollmechanismen für Biotechnologie, Cyber und Künstliche Intelligenz sollen etabliert werden. China muss stärker in Abrüstungsbemühungen einbezogen werden.

Im Forschungsbereich setzt sich auch die SPD für das 3,5% Ziel ein (Ausgaben für Forschung/Entwicklung von Staat und Wirtschaft sollen auf 3.5% des BIP gesteigert werden). Befristungen in wissenschaftlichen Anstellungsverhältnissen sollen reduziert werden und stattdessen vermehrt volle Personalstellen bezahlt werden. Die SPD will neue dauerhafte Jobmöglichkeit unterhalb des Professurenniveaus schaffen.

Quelle: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD-Zukunftsprogramm.pdf

FDP: „Nie gab es mehr zu tun.“

Im Forschungsbereich will die FDP allgemein Grundlagenforschung stärken und spricht sich gegen gesetzliche Zivilklauseln aus.

Im Bereich Außenpolitik sollen alle Beschlüsse der NATO umgesetzt werden. Die FDP will langfristig eine atomwaffenfreie Welt und will China in Rüstungskontrollgespräche mit Russland und den USA einbeziehen. Weiterhin werden explizit Rüstungskontrollvereinbarungen für „Cyberwaffen“ und „Hypersonic Glide Vehicles“ eingefordert.

Quelle: https://www.fdp.de/sites/default/files/2021-06/FDP_Programm_Bundestagswahl2021_1.pdf

Die Linke: „Zeit zu handeln: Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!“

Im Forschungsbereich finden sich vor allem arbeitsrechtliche Punkte: Befristungen einschränken, Promotionsstellen mit 100% vergüten, Verpflichtung auf Tarifbindung für steuerlich geförderte Einrichtungen. Friedensrelevant fordert die Linke die Einführung von Zivilklauseln an allen Hochschulen sowie die „Förderung von Friedensforschung“.

Im Bereich Außenpolitik und Verteidigung will die Linke Auslandseinsätze der Bundeswehr abschaffen, militärische Ausgaben reduzieren (weg vom 2%-Ziel, Aufruf zur globalen 10%-Reduktion der Militärausgaben), und große Rüstungsprojekte wie das FCAS [Future Combat Aircraft System] sollen beendet werden. Rüstungsexporte lehnt die Linke ab, genauso wie bewaffnete Drohnen und die nukleare Teilhabe Deutschlands innerhalb der NATO oder auch einen Neukauf deutscher Trägersysteme für Atomwaffen. Stattdessen soll Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten. Weiterhin wird eine internationale Ächtung autonomer Waffensysteme gefordert und „die Bundesregierung muss eine internationale Initiative dafür starten“. Proaktiv will die Partei zivile Friedensmaßnahmen, inklusive Ausbildungsmöglichkeiten für den zivilen Friedensdienst, fördern.

Quelle: https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm-2021/

Bündnis 90/Die Grünen: „Deutschland. Alles drin.“

Im Bereich Kernenergie wollen die Grünen die Urananreicherungsanlage Gronau sowie das Brennelementewerk Lingen schnellstmöglich schließen und erwähnen explizit die gewollte Umrüstung des FRM II [FRM – Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz, TU München] in Garching weg von hochangereichertem Uran. Eine Reform von EURATOM [EURATOM -Europäische Atomgemeinschaft] wird angestrebt.

In der Forschung sollen Fördermaßnahmen an den UN-Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden, und zentral ist eine zivile Ausrichtung von Wissenschaft. 3,5% der Wirtschaftsleistung sollen von Staat und Unternehmen in Forschung und Entwicklung investiert werden.Öffentliche Drittmittel sollen für mehr als 3 Jahre aufgesetzt werden und Overheadkosten nach Bedarf bezahlt werden. Der Anteil unbefristeter wissenschaftlicher Personalstellen soll erhöht werden, insbesondere auch bei der Lehre. Es soll auch mehr unbefristete Berufswege neben Professuren geben.

Außenpolitisch werden sehr detailliert einzelne L nder und Regionen durchgegangen – dazu sei auf das Programm selbst verwiesen. Im Kapitel findet sich aber auch die folgende explizite Forderung nach mehr Mitteln für die DSF [DSF – Deutsche Stiftung Friedensforschung] und – wieder – zu entfristeten Stellen: „[…] die Friedens- und Konfliktforschung stärken. Das Stiftungskapital der Deutschen Stiftung Friedensforschung wollen wir erhöhen, […] und andere wissenschaftliche Einrichtungen insbesondere personell und durch Strategien der Entfristung stärker fördern.“ Das NATO-2%-Ziel lehnen die Grünen ab und wollen die NATO strategisch neu ausrichten. Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr werden weder grundsätzlich abgelehnt noch befürwortet. Autonome Waffensysteme sollen international verboten werden. Ein Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag wird angestrebt, als Schritt dahin ist die Teilnahme als Beobachterstaat bei der ersten Vertragsstaatenkonferenz angedacht. Ein Verzicht der NATO auf nuklearen Erstschlag wird eingefordert.

Quelle: https://cms.gruene.de/uploads/documents/Vorlaeufiges-Wahlprogramm_GRUENE-Bundestagswahl-2021.pdf

PDF: Wahlprogramme und Friedensforschung

Kontakt:

Dr. Moritz Kütt: kuett@ifsh.de

Thomas Reinhold: reinhold@peasec.tu-darmstadt.de

Welche Rolle spielt Friedensforschung in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021?